Mittlerweile ist mehr als jedes dritte Velo, das in der Schweiz verkauft wird, ein E-Bike. Und die Nachfrage steigt weiter. Doch was passiert mit den ausgedienten Akkus?
von Sara Blaser, im Auftrag von Inobat
Schon vor 2020 nahm die Nachfrage nach E-Bikes jährlich mit grossen Schritten zu. Und die Pandemie hat diese Entwicklung nur begünstigt: Um den engen Verhältnissen im ÖV zu entkommen und vielleicht auch, um eine «erlaubte» Tätigkeit im Freien auszuführen, legten sich viele Schweizerinnen und Schweizer ein E-Bike zu. 171 132 E-Bikes rollten im Jahr 2020 über den Verkaufstisch. Und der Trend geht weiter. Bereits über 100 Marken sind erhältlich und etwa im Wochentakt drängt ein neues Unternehmen auf den Markt.
Beschädigt oder ausgedient: zurück zur Verkaufsstelle
Über Gefahren, die von einem E-Bike-Akku ausgehen, wurde schon viel geschrieben. Solange sich der Akku am Velo befindet, dieses regelmässig benutzt und der Akku gemäss den Herstellerangaben geladen wird, besteht kein Grund zur Sorge. Dass ein beschädigter Akku unverzüglich entsorgt werden soll, dürfte bekannt sein. Wird ein Lithium-Ionen-Akku etwa bei einem Unfall gequetscht, kann es zu einem Kurzschluss kommen und der Akku kann Feuer fangen. Ebenso wichtig ist es aber auch, dass ausgediente Akkus nicht zuhause gelagert werden, bevor sie entsorgt werden. Denn wenn ein Akku lange nicht benutzt wird, und seine Kapazität unter ein bestimmtes Minimum sinkt – eine so genannte Tiefentladung – besteht bei der Wiederverwendung das Risiko eines Kurzschlusses. Darum sollten Akkus, die nicht mehr verwendet werden, möglichst zeitnah entsorgt werden. Dank der vorgezogenen Entsorgungsgebühr, die im Kaufpreis enthalten ist, können Akkus bei jeder offiziellen Verkaufsstelle von E-Bikes oder auch bei bedienten Entsorgungsstellen von Gemeinden kostenlos abgegeben werden. Mit dieser Gebühr wird die Sammlung, der Transport und das Recycling der alten Akkus finanziert. Die Lebensdauer eines E-Bike-Akkus beträgt etwa acht Jahre. Somit befinden sich die meisten jemals in Verkehr gebrachten Akkus noch im Umlauf. Momentan werden pro Tag in der Schweiz aber bereits über hundert Akkus zurückgebracht. In den nächsten Jahren ist damit zu rechnen, dass sich diese Zahl vervielfacht.
Was passiert nach der Sammelstelle?
Ausgediente Akkus werden in der Schweiz bei der Firma Batrec verarbeitet. Um zu verhindern, dass sich Lithium-Ionen-Akkus entzünden, werden diese zuerst vollständig entladen, indem sie mehrere Wochen in Salzwasser eingelegt werden. Anschliessend werden sie unter Wasser geschreddert. Der brennbare Elektrolyt wird dabei weggewaschen. Danach folgt die mechanische Aufbereitung: Die Aluminium- und Kupferfolien sowie der Kunststoff werden von der sogenannten Schwarzmasse getrennt. Dieses Pulver enthält neben Grafit, das für die schwarze Farbe verantwortlich ist, Kobalt, Nickel, Mangan und Lithium. Diese Wertstoffe werden in einem Schwester-Werk von Batrec zurückgewonnen. Etwa 95 Prozent der wertvollen Stoffe Kobalt und Nickel können zurückgewonnen werden. Anders als der Name vermuten lässt, besteht ein Lithium-Ionen-Akku nicht hauptsächlich aus Lithium, sondern nur zu ca. 3 Prozent. Dieses Lithium landet zusammen mit den übrigen Rückständen auf der Deponie. Eine Rückgewinnung wäre theoretisch möglich, lohnt sich aber nicht, weil der primäre Rohstoff aktuell noch viel günstiger ist. Wenn die Recyclingmengen und die Nachfrage nach Lithium in den nächsten Jahren deutlich ansteigen, könnte sich dies schon bald ändern.
Ein neues Leben
Wenn ein E-Bike-Akku im Recycling landet, ist er nicht unbedingt kaputt, sondern die Speicherkapazität ist für den Einsatz im Velo zu gering – ab etwa 40 Prozent. Als stationäre Speicher reichen diese Akkus jedoch noch bestens aus. Mehrere Akkus zusammengebaut könnten so in einem zweiten Leben als Heimspeicher für Solaranlagen verwendet werden. Attraktiver aber ist, für diese Art von Second-Life-Anwendung gebrauchte Akkus aus Elektroautos zu verwenden. Zahlreiche solche Speicher sind schon in Betrieb.
Ein anderer Ansatz ist, einzelne Zellen aus den gebrauchten Akkus wieder zu verwenden. Ein E-Bike-Akku besteht aus vielen kleinen, in Serie geschalteten Zellen, welche die typische zylindrische Form von Gerätebatterien aufweisen. Wenn eine einzige Zelle defekt ist, funktioniert der ganze Akku nicht mehr. Das Schweizer Startup Libation verfolgt das Ziel, die noch funktionsfähigen Zelle ausfindig zu machen und aus ihnen neue Akkus zu bauen. Die Herausforderung dabei ist, die Zellen in Bezug auf die Degradation, Kapazität, Sicherheit und Selbstentladung zu prüfen. Marktreif sind solche Upcycling-Batterien noch nicht, erste Feldversuche sind aber bereits abgeschlossen. Denkbare Einsatzmöglichkeiten sind beispielsweise in kleinen Fahrzeugen wie Rollstühlen oder Putzfahrzeugen.
In den kommenden Jahren wird die Zahl der Akkus, die im Recycling landen, massiv ansteigen. Zu erwarten ist, dass die Recycling- und Upcycling-Methoden noch eine technologische Weiterentwicklung erfahren wird und sich neue Geschäftsmodelle entwickeln werden.