Rund 100 Abwasserreinigungsanlagen müssen mit einer zusätzlichen Stufe zur Elimination von Mikroverunreinigungen ausgerüstet werden. Derzeit werden auf dem Verordnungsweg die Kriterien zur Bestimmung der Anlagen und zum Monitoring festgelegt. Bei der Planung der Anlagen liefern Labortests wichtige Entscheidungsgrundlagen zur Wahl und Ausgestaltung des Verfahrens. Ein Überblick.
Von Dr. Christian Götz, Leiter Organische Spurenanalytik, www.envilab.ch, christian.goetz@envilab.ch
Die erste grosstechnische Ozonung zur Elimination von Mikroverunreinigungen hat im Frühjahr 2014 in der ARA Neugut in Dübendorf den Betrieb aufgenommen. Bei weiteren grossen ARAs ist diese zusätzliche Reinigungsstufe bereits in Planung – obwohl die revidierte Gewässerschutzverordnung noch nicht in Kraft ist. Die Verordnung legt unter anderem die Kriterien zur Bestimmung der ARAs fest, die nachgerüstet werden müssen. Doch für Anlagen, an die mehr als 80’000 Einwohner angeschlossen sind, ist der Fall klar: Sie müssen eine zusätzliche Stufe zur Elimination von Mikroverunreinigungen einbauen.
Strengere Vorgaben sollen gemäss Gewässerschutzverordnung gelten, wenn der Auslauf der ARA in einen See geleitet wird. In diesem Fall ist eine Nachrüstung bereits ab 24’000 Einwohnern vorgesehen. Betreiber von kleinen Anlagen, denen weniger als 8000 Einwohner angeschlossen sind, müssen in der Regel nichts unternehmen. Eine Ausnahme ist, wenn der Vorfluter ein schützenswertes Gewässer ist. Bei den übrigen Anlagen entscheiden die Kantone anhand einer Einzugsgebietsplanung, welche ARAs saniert werden müssen. Nutzen mehrere ARAs den gleichen Fluss als Vorfluter, darf der gesamte Anteil an Abwasser nicht mehr als 10 % betragen. Wird dieser überschritten, legen die Kantone fest, welche ARAs nachgerüstet werden müssen. Dass dabei eine kantonsübergreifende Planung Sinn machen würde, liegt auf der Hand.
Zwei Verfahrenstechniken zur Wahl
Ist einmal festgelegt, welche Anlage saniert werden muss, stellt sich die Frage nach dem geeigneten Verfahren. Dabei stehen die Ozonung oder Aktivkohleverfahren im Vordergrund. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Während die Mikroverunreinigungen beim Aktivkohleverfahren an die Kohleteilchen binden und anschliessend ausfiltriert werden, werden sie bei Ozonung oxidativ umgewandelt. Dabei können problematische Nebenprodukte entstehen. Zudem ist eine Ozonung bei Abwasser mit einem hohen DOC- oder Nitrit-Gehalt nicht sehr effizient. Weil das organische Material und das Nitrit viel Ozon zehren, müsste die Dosierung so hoch sein, dass die Anlage weniger wirtschaftlich betrieben werden kann und die Gefahr besteht, dass mehr problematische Nebenprodukte entstehen. Beim Pulveraktivkohleverfahren wiederum stehen eher der häufig grössere Platzbedarf und die meist höheren Investitionskosten als Hindernisse zur Diskussion. Inzwischen wurden jedoch unterschiedliche verfahrenstechnische Ansätze entwickelt, bei denen beispielsweise auf ein zusätzliches Sedimentationsbecken für die PAK verzichtet wird oder sogar die Dosierung der Pulveraktivkohle direkt ins Belebtschlammbecken erfolgt. Als kritische Faktoren für das Aktivkohleverfahren stehen auch die Abhängigkeit vom Lieferanten und die ganze Logistik im Vordergrund. Eine Grossanlage wie die ARA Werdhölzli in Zürich würde täglich drei bis vier Lastwagen Pulveraktivkohle benötigen. Bei der Ozonung hingegen wird das Reaktionsmittel vor Ort aus Sauerstoff hergestellt. Weil Ozon allerdings ein äusserst reaktives Gas ist und in bereits in geringen Konzentrationen die Gesundheit gefährden kann, sind hier wiederum umfassende Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Neben der reinen Ozonung oder dem Pulveraktivkohleverfahren kommen auch kombinierte Verfahren infrage, zum Beispiel eine Ozonung mit nachträglicher Filtration mittels granulierter Aktivkohle.
Labortest für Ozonung
Welche verfahrenstechnischen Optionen sich für eine ARA eignen, lässt sich in einer Variantenstudie fundiert abklären. Dabei werden für die spezifische ARA geeignete Verfahren evaluiert, die technische Machbarkeit abgeklärt sowie Kosten und Erfolg der verschiedenen Varianten geschätzt. Anschliessend liefern Vorabklärungen im Labor weitere Entscheidungsgrundlagen zur Wahl des Verfahrens und zur Planung einer Pilotanlage vor Ort. Insbesondere wenn sich die Ozonung als Verfahrensoption anbietet, sind vorgängig Laboruntersuchungen zu empfehlen. Dazu hat die Eawag ein Testverfahren entwickelt, das von der Envilab AG im Auftrag des BAFU auf dessen Anwendbarkeit in privaten Labors evaluiert wurde: Zuerst werden die Zusammensetzung des Abwassers und der Abbau von Mikroverunreinigungen bei unterschiedlichen Ozonkonzentrationen bestimmt. Je nach Resultat muss bereits nach diesen Testschritten eine Ozonung ausgeschlossen werden. Die quantitative Bestimmung der bekannten Nebenprodukte Bromat und Nitrosamine sowie Biotests zur Toxizität des Abwassers vor und nach der Ozonung liefern weitere Hinweise, ob das Verfahren geeignet ist.
Ozonung nicht immer geeignet
Im Rahmen der Testevaluation untersuchten Envilab und Eawag Abwasserproben von insgesamt neun Kläranlagen. Dabei zeigte sich, dass bei zwei Anlagen eine Ozonung höchstwahrscheinlich nicht infrage kommt. Ein Grund war bei beiden Anlagen der hohe DOC-Gehalt, der zu einer hohen Ozonzehrung und zu einer geringen Bildung von OH-Radikalen führte. Letztere sind wichtig, weil gewisse Spurenstoffe nicht auf Ozon, sondern erst auf die Hydroxy-Radikale reagieren. Entsprechend zeigten bei diesen beiden Anlagen auch die Abbautests schlechte Resultate. In einer Anlage war das Abwasser zudem mit Bromid belastet, was nach der Ozonung zu erhöhten Bromatwerten führte. In den Biotests schliesslich erwiesen sich die Proben der beiden problematischen Anlagen als toxisch für verschiedene Wasserlebewesen. Bei zwei weiteren Anlagen hat je ein Biotest auffällige Resultate ergeben, die eine weitere Abklärung erfordern.
Vorabklärungen für Aktivkohleverfahren
Auch beim Aktivkohleverfahren können Abklärungen im Labor nützliche Informationen zur Wahl des Aktivkohleprodukts und dessen Dosierung liefern. Denn die Adsorption von Spurenstoffen an die Aktivkohle ist je nach Produkt sehr unterschiedlich. Zudem beeinflusst auch die Zusammensetzung des Abwassers, wie gut einzelne Spurenstoffe an die Aktivkohle binden. Diese Zusammenhänge lassen sich in einfachen Batch-Verfahren im Labor oder auf der Anlage untersuchen. So hat Envilab im Auftrag einer ARA die Wirkung von sechs verschiedenen Pulveraktivkohleprodukten im Abwasser ihrer Anlage verglichen. Es stellte sich heraus, dass zwei Produkte bestimmte Indikatorstoffe signifikant schlechter adsorbieren – deren Adsorptionsrate war um bis zu 50 % tiefer.
Abbauleistung von 80 % gefordert
Mit dem schrittweisen Vorgehen von der Variantenstudie über Vorabklärungen im Labor bis zur Pilotanlage vor Ort wird sichergestellt, dass durch die neue Reinigungsstufe keine unerwünschten Nebeneffekte entstehen und eine grosstechnische Anlage am Schluss die geforderte Abbauleistung von 80 % gegenüber dem Rohabwasser erreicht. Diesen Wert legt die revidierte Gewässerschutzverordnung fest, die aktuell noch in der politischen Beratung steckt. Sie schreibt auch vor, dass die Abbauleistung anhand von geeigneten organischen Substanzen regelmässig überprüft werden muss. Diese sogenannten Leitsubstanzen haben Eawag und Envilab zusammen mit dem BAFU in einem aufwendigen Verfahren aus 435 Stoffen ausgewählt. Die Stoffliste enthält zwölf Leitsubstanzen, die weit verbreitet sind, durch vorgängige Verfahren nicht abgebaut werden und analytisch mit verbreiteten Methoden gemessen werden können. Acht der zwölf Substanzen werden mit Ozonung und Pulveraktivkohle gut eliminiert, vier sind nur mittelgut abbaubar. Aus dieser Substanzliste müssen die kantonalen Vollzugsbehörden gemäss aktuellem Vorschlag mindestens vier der ersten Gruppe und zwei der zweiten überwachen.
Dieses Vorgehen trägt dem Umstand Rechnung, dass sich das Vorkommen bestimmter Mikroverunreinigungen von ARA zu ARA stark unterscheiden kann. Weil das Auftreten von organischen Spurenstoffen auch aufgrund von Veränderungen im Substanzmarkt zum Beispiel durch die Zulassung neuer Medikamente oder das Verbot bestehender Stoffe schwanken kann, sollen die Leitsubstanzen alle vier Jahre überprüft und allenfalls angepasst werden. Sie werden deshalb nicht in der Gewässerschutzverordnung sondern in einer Verordnung des UVEK festgelegt.
Monitoring liefert wichtige Informationen
Auch in der ARA Neugut in Dübendorf wird der Abbau der Spurenstoffe seit Inbetriebnahme regelmässig gemessen. Die Messungen werden von Envilab im Auftrag der ARA durchgeführt und berücksichtigen aktuell fünf Spurenstoffe, die in einem ersten Vorschlag im Rahmen der Revision der Gewässerschutzverordnung vor 5 Jahren vorgeschlagen wurden.
Die Ozonung in der ARA Neugut erreicht die geforderten Abbauleistungen ohne Probleme, sowohl bei trockenem wie auch bei nassem Wetter. Das Monitoring zeigte, dass sogar geringere Ozon-Dosen notwendig sind, als ursprünglich erwartet. Und auch die Art der Dosierung lässt sich anhand der Messwerte überprüfen: Die besten Resultate lieferte die Anlage bisher, wenn man von festen DOC-Werte für Regen- bzw. trockenes Wetter ausgeht und das Ozon nach der Zuflussmenge dosiert.