Der Roboter und die Denkmalpflege

Seit Ende Juni 2022 fräst bei Quadra Ligna ein Roboter die alten Scheiben aus den zu renovierenden Fensterflügeln. Das innovative Projekt in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule und Innosuisse zeigt: Die Digitalisierung kann auch in einem traditionellen Handwerksbetrieb, in dem Know-how und langjährige Erfahrung unersetzbar sind, die Arbeit erleichtern.

Wer in diesen Tagen die Quadra-Ligna-Werkstatt besucht, mag sich wundern: Was hat ein Roboter zwischen den alten Fensterflügeln, die auf ihre Renovation warten, verloren? In der Tat scheinen Denkmalpflege und Robotik wenig gemein zu haben. Doch der Schein trügt, denn der orange Einarm-Roboter von KUKA wird künftig tatkräftig mithelfen, historisch wertvolle Fenster zu erhalten. Er wird in den Fensterflügeln Platz für die neuen Gläser schaffen, indem er die bisherigen aus den Holzflügeln herausfräst. Die Fräsbahnen dafür lassen sich dank der digitalen Massaufnahme am Bau einfach und exakt generieren.  

Zeitgewinn für mehr anspruchsvolles Handwerk 

Wie bei Robotern üblich, ist auch das neuste Quadra-Ligna-Teammitglied aus Sicherheitsgründen eingehaust. Der eigene Raum schützt nicht nur vor Unfällen mit dem starken Arm, sondern bewahrt auch die Mitarbeitenden vor Gesundheitsschäden durch asbesthaltige Kitte oder bleihaltige Farben, die beim Fräsprozess freigesetzt werden könnten.  

Taucht irgendwo ein Roboter auf, ist die Frage, ob dadurch Arbeitsplätze verloren gehen, nicht weit. Jochen Ganz, Inhaber und Initiator des Projekts, winkt vehement ab: «Die Fähigkeiten unserer Mitarbeitenden sind der Schlüssel für die hohe Qualität unserer Fensterrenovationen. Der Roboter soll ihnen den Teil der Arbeit abnehmen, der handwerklich unattraktiv ist und die Arbeitssicherheit erhöhen, aber das fundierte Know-how und die jahrelange Erfahrung sind durch nichts zu ersetzen.» Keine Frage, das neue digitale Verfahren spart Zeit: Wo bisher zwei Personen gemeinsam auf der Baustelle die Fenster von Hand mit einem Rollmeter ausgemessen hatten, kann das neu eine Person allein bewerkstelligen. Dank einer App mit Spracherkennung lassen sich die Masse schnell auf dem Tablet eingeben. Ist ein Fenster nicht rechteckig, wird mit einer kalibrierten Kamera die Geometrie direkt digitalisiert. Mit diesen Daten kann das Glas beim Hersteller bestellt und das Fräsprogramm für den Roboter erstellt werden. 

Eine Idee reift heran 

Schon als Ganz 2018 die ehemalige Firma Fenrefo übernommen hatte und aus ihr Quadra Ligna machte, hatte er die Vision einer vermehrt automatisierten Werkstatt vor Augen. Mit der FH Biel und dem Team um Professor Eduard Bachmann fanden sich die perfekten Partner für das Projekt. Bachmann und seine Mitforschenden befassen sich schon länger mit der Digitalisierung im Holzbereich. Die Entwicklung erfolgte mit ihrem eigenen Industrieroboter und dauerte rund zwei Jahre. Das Projekt wurde von Innosuisse, der schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, unterstützt.  

Die neue Technologie eröffnet neue Perspektiven für Quadra Ligna, ist Ganz überzeugt:  «Dank des Roboters können wir nicht nur unsere Produktionskosten senken, sondern auch unsere Tätigkeit ausweiten und so hoffentlich viele stilvolle und architektonisch wertvolle Fenster in der Schweiz und im angrenzenden Ausland renovieren.»